BIRMA (MYANMAR) 2003

ich erinnere mich an eine junge birmanin, mit der ich zusammen an einer bushaltestelle fröhlich ein lied gesungen habe…“I love you more than I can say…“: ein birmanisch-österreichisches straßenkonzert also. und das ist es: nicht um das trennende zu suchen reise ich, sondern um das annähernde vielleicht auch verbindende zu finden……..

einreise

wallyre2004/diascan
wallyre2004/diascan

reise nach asien. reise in ein system. in dem die menschen bewohnt, besessen werden.gehalten werden. reise nach birma². einreise. der gang durch die flughafenhalle. richte den blick nach oben, sagte einer. hinter der langen fensterreihe versteckte kameras. unten in der halle derweilen die einreiseprozeduren. geldwechseln. 200 dollar pflichtumtausch in touristengeld. FEC s – foreign exchange certificate. ein FEC ist ein dollar und sieht aus wie monopoly spielgeld. eine art korruption: weniger wechseln will ich. „do you have present for me“- 5 dollar kostet es. das kuvert mit dem abgezählten touristengeld schon vorbereitet. „don´t tell anyone“ verstohlene blicke. korruption und angst. aus einer notwendigkeit heraus. erste welle in diesem dschungel aus freundlichkeit, undurchschaubarkeit, geheimniskrämrei und geheimen codes. dann die stadt, die hauptstadt,

rangoon
rangoon (ehemalige) hauptstadt von birma. foto: wallyre 2003

…..aung san suu kye sagt: macht, angst und korruption korrumpiert die menschen. egal in welchem system dann. menschen sind sich selbst grenze. unsichtbar hinter und unter versteckten worten. nichtgesprochenen worten.

ein morgen in rangoon 

der hinterhof, in den ich durch das fenster blicke, sagt: ich bin der dreck der wirklichkeit, die wahrheit. hinter den kulissen. auch auf der strasse rund um die sule pagode. aber, hinter die kulissen gibt es keine führungen. säuberungsaktionen für touristenpfade. gründlich. so wie in pagan, der tempelstadt. die menschen wurden abgesiedelt, zum selbstkostenpreis. innerhalb eines monats. ……….

the road to mandalay

680 kilometer nach mandalay. 18 stunden. holprige strasse, schlaglöcher, zwei reifenplatzer. mühsames reifenwechseln. nachts irgendwo auf der strecke. das ist die wirklichkeit. zeigt immer was im argen liegt. die leute sind gelassen. sind es gewohnt. im bus derweilen amerikanische videofilme mit untertiteln. lustige indianerfilme oder actionfilme. dazwischen werbung. schlankheitsdiät oder hautcreme für das gesicht. wie das bezahlen? aber das ist so in diesem land. die menschen mögen das fernsehen. das staatliche. vor und nach dem film dann burmesische popmusik. die meisten rhytmen kenne ich: tina turner, cher, rem, alles auf burmesisch. das reinste vergnügen.

mandalay 

 ……..am vollmondtag ein jahrmarkt in der mahamunipagode. die halbe stadt pilgert hin. wie im film la strada ist es. treffe den einzigen touristen. marc, ein kanadier. ein junger mönch lädt uns in sein kloster ein. wir trinken grünen tee. die leute, die vom land in die stadt müssen, wohnen in den klöstern. marc spricht russisch mit den studenten, die dort wohnen. der junge mönch begleitet uns später zum jahrmarkt. marc und ich. wir staunen wie kleine kinder: ein riesenrad, von menschenkraft betrieben. ins rollen gebracht und wieder zum stillstand. …….

hsipaw

nördlich von mandalay, schon im shan staat. ich hörte viele geschichten darüber. der neffe des letzten shan prinzen lebt in hsipaw. er war mit inge sargent aus wien verheiratet. wurde dann aber verschleppt, weil er wollte, das es dem volk besser geht. er verschenkte sein land an sie. damit sie genug reis und gemüse anbauen konnten. er lehrte sie, wie das funktioniert. in den 60-ern war das. dann immer wieder immer mehr politische unruhen. das militär putscht. die armee hat sich selbst zum staat erhoben. unter ne win. 1962 wurde er, der prinz verschleppt. sie, die prinzessin hat bis heute keine antwort auf sein verbleiben. ……

………die schönheit des landes holt mich zurück. herzliche gemüter. die gastfreundschaft der menschen. holt mich zurück aus den gedanken über die geschichten dieses regimes: gedanken an zwangsarbeit. wo menschen aus ihren dörfern geholt werden um für den staat oder die nutzniesser des systems zu arbeiten. ohne bezahlung. überwacht von den zahllosen grüngekleideten, einfachen soldaten. die einen bettel vedienen. mach die augen auf, mach sie auf. denke an die vielen menschen, die schon umgekommen sind. die in arbeitslager gekommen sind. die flüchten mussten zum beispiel. nach thailand, chang mai. na ma le bu. ich verstehe nicht. ich verstehe nichts.

mount popa 

monk. mount popa.
monk. mount popa. foto: wallyre 2003 (diascan)

heiliger berg der nats. die schutzgeister aus der alten naturreligion. gute und böse gibt es.  ich übernachte im kloster. es gibt dort keine hotels oder guesthäuser. der mönch ist kettenraucher. er lacht immerzu und will einen dollar für die übernachtung. oben im kloster leben die kleinen händler. sie verkaufen bananen oder glückssteine an die tagestouristen unten. sie laden mich am abend zum essen ein. mingalaba grüsse ich. alle lachen. mein burmesisch klingt lustig. wir essen. sitzen auf dem boden. kerzen und räucherstäbchen. reis und sauce. ich esse ein bisschen. sie erzählen mir von der schule. die älteren männer haben ein bisschen englisch gelernt. die frauen nicht. ……

KALAW

 …… in kalaw spricht mich eine ältere frau an. ich freue mich. sie lädt mich zu sich nach hause ein. sie will ihre englischkenntnisse verbessern. sie sagt einmal „we in our shan state“. erst jetzt begreife ich was das bedeutet. wir unterhalten uns über heilkräuter und heilpflanzen. und wie sie verwendet werden. es sind oft dieselben wie bei uns.
medikamente, rar und meistens abgelaufen, sind teuer. erzählt sie. ich sehe einige tabletten. französische beschreibung. das geschäft mit medikamenten blüht. hilfslieferungen aus dem westen werden oft am schwarzmarkt verscherbelt.
bei den karen.
bei den karen. foto: wallyre 2003 (diascn)

in der umgebung von kalaw gibt es einige bergvölker. sie leben autonom. basisdemokratisch. die letzte entscheidung trifft die dorfgemeinschaft. speziell bei den karen. zu beginn ihrer geschichte wahrscheinlich matriarchalisch organisiert. ……..

inle lake.
inle lake. foto: wallyre 2003 (diascan)

……in zwei tagen von kalaw aus über die berge zum inle see. bootsfahrt am see.pfahlbaudörfer. schwimmende märkte. klöster. cherootherstellung mit verkauf. mädchen arbeiten dort. bonbons will ich ihnen geben. sie lächeln schüchtern. ein mädchen wirft einen verstohlenen blick über die schulter. wegen der chefin glaube ich. ich schiebe die bonbons unter das tablett, auf dem die cheerots gemacht werden. alle lachen. …….

  zurück in rangoon

in pago habe ich mir einen dunklen longii gekauft. das sind wickelröcke, männer und frauen tragen sie. jeder landesteil hat eigene muster und farben. dunkle meist violette longiis mit mustern aus dem nördlichen kachin staat. ausdruck für opposition. viele menschen in rangoon trauen sich nicht, dunkle longiis zu tragen. ich trage meinen. leute lächeln mich an. manche sprechen mich an. „oh, you look like burmese“. „thank you“, sage ich und lächle zurück. und erinnere mich an den satz im roman „der glaspalast“ von amitav gosh: „ah birma, ja birma das war ein goldenes land…. „

Textauszug, wally rettenbacher.2003. überarbeitet 2010. mingalaba.

ah birma, also birma, das war ein goldenes land. cover by GÜE. fotos wallyre(diascan)
ah birma, also birma, das war ein goldenes land. cover by GÜE. fotos wallyre(diascan)

dieses hörbild gibt es bald auf Cd

 nachtragstraktat zu „ah birma ,also birma, das war ein goldenes land…“

„in birma zu reisen ist eine katastrophe. selten habe ich eine glücklichere reise gemacht. beides ist miteinander verflochten oder, vielleicht noch schlimmer, regelrecht verzahnt, unlöslich verkettet: die katastrophe ist das glück.“ so schreibt cees noteboom, der das land 1986 für eine woche bereiste.
auf einer reise nach birma kann man sich genauso sehen und wiederfinden. nicht zu unrecht, denn wer durch diesen dschungel aus freundlichkeit, gastfreundschaft, undurchschaubarkeit, geheimniskrämerei und geheimen codes reist hat mitunter seltsame erlebnisse. ist oft irritiert und beglückt zugleich.
Ich erinnere mich an eine junge birmanin, mit der ich zusammen an einer bushaltestelle fröhlich ein lied gesungen habe…“I love you more than I can say…“: ein birmanisch-österreichisches straßenkonzert also. und das ist es: nicht um das trennende zu suchen reise ich, sondern um das annähernde vielleicht auch verbindende zu finden. so suche ich auf all meinen reisen…und finde mich in einem gedanken von T.S. eliot wieder: und das ende allen erkundens wird sein, dass wir ankommen, wo wir aufbrachen. und diesen ort zum ersten mal erkennen…..
auszüge aus einem reisetagebuch. textlich überarbeitet 2010 + fotos diascan.
wally rettenbacher, überarbeitet 2010

literaturhinweise:

amitav gosh: der glaspalast.
somerset maugham: ost und west. der rest der welt.
rudyard kipling: road to mandalay.
cees noteboom: im frühling der tau. östliche reisen.
inge sargent: mein leben als sao thusandi. prinzessin der shan.
george orwell: burmese days. ( George Orwell wird in Birma heute noch sehr geschätzt : Unter den Studenten kursiert ein Witz : Wussten Sie, dass George Orwell eine Fortsetzung von « Tage in Burma » geschrieben hat : Sie kennen es : 1984….. !
brigitte blume: myanmar. reiseführer (reise know how)

² Birma oder Burma nennt sich seit 1989 offiziell „ Union of Myanmar“. Die englische Kolonialherrschaft, die unter dem Motto „teile und herrsche“ bis 1937 regierte, nannte das Land Burma, eine Orientierung an der indischen Bezeichnung „Bama“. Allerdings nannten die ersten Europäer in dieser Region, die Portugiesen, das Land Birma, abgeleitet aus der Sprache der Mon, die schon vor dem 5. jahrhundert aus Osttibet kamen und Birma in Kunst und Kultur nachhaltig beeinflussten.
Myanmar ist die vorkoloniale Bezeichnung, bedeutet Vielvölkerstaat und soll hervorheben dass dieses Land nicht nur die Heimat der Birmanen ist – in Birma gibt es mehr als 100 verschiedene Sprachen und Dialekte. Für die Opposition ist das wie ein Hohn, sie lehnen den Namen Myanmar strikt ab. Wer sich politisch zur Opposition zählt, spricht auf keinen Fall von Myanmar, wer mit der Regierung sympathisiert spricht auf keinen Fall von Birma. Auch die meisten Städte und Flüsse wurden umbenannt. Da ich mit der Opposition sympathisiere verwende ich den Namen Birma oder Burma. ( vgl: Clemens ludwig. Birma. Beck´sche reihe. 1997)

 

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